SIA 2057 & Glasbau Allgemein


15.03.24 - Wenn sich bei den Metallbau-Fachleuten ein Abend lang alles um «Glas» dreht



Der Werkstoff Glas wird immer häufiger verwendet und sehr oft auch in Kombination mit Metall. Und weil erst vor kurzem eine neue SIA-Norm für Glas in Kraft getreten ist, hat Metaltec Aargau einen Abendkurs zu diesem Thema organisiert.

Seit August 2021 gilt die SIA 2057. Sie bietet die Bemessungsgrundlage für den Werkstoff Glas. Obwohl diese Norm seit gut zweieinhalb Jahren gültig ist, gibt es in der praktischen Umsetzung noch immer die eine oder andere Unsicherheit. Und genau die wollten die Verantwortlichen von Metaltec Aargau aus dem Weg räumen. Aus diesem Grund haben sie an ihrem Weiterbildungsanlass «Kurs 10», den sie für ihre Mitglieder jährlich organisieren, einen Spezialisten für das Thema «Glasbau» eingeladen. Mario Russi, gelernter Metallbauer, arbeitet heute als Metallbauingenieur. Er plant und rechnet komplexe Konstruktionen im Metall-, Glas-, Stahl- und Fassadenbau.

Ein Thema, das interessiert
Der Kurs stiess bei den Mitgliedern von Metaltec Aargau auf grosses Interesse. 44 Personen haben sich angemeldet – deutlich mehr als sonst – und sind nach Feierabend in die Berufsschule Lenzburg gekommen. Dort gab ihnen Mario Russi eine kurze Einführung zu den Eigenheiten und Eigenschaften des Werkstoffs Glas. Danach gings ans Eingemachte. Russi führte aus, wie die neue SIA-Norm 2057 entstanden ist und erklärte, dass sie schon bald wieder abgelöst werden wird. 2026 nämlich soll sie auf die im kommenden Jahr publizierten Eurocodes abgestimmt werden.
Zur aktuell noch gültigen SIA 2057 sagte Russi: «Das ist eine trockene Norm mit vielen Formeln. Man muss regelmässig damit arbeiten, damit man sie wirklich versteht. Sie ist primär relevant für Ingenieure.» Zudem gäbe es in der Schweiz kein Gesetz, welches die Anwendung der SIA 2057 vorschreibe. «Aber wenn etwas passiert und die Vorgaben der SIA 2057 nicht umgesetzt wurden, kann der Unternehmer in die Haftung kommen – je nachdem, wie das Gericht entscheidet», so Russi.

Vierstufiger Nachweis
Ein wichtiger Bestandteil der neuen SIA 2057 ist das vierstufige Nachweiskonzept, das bei der Bemessung von Bauteilen aus Glas erbracht werden muss. Russi erläuterte detailliert, wie die Tragsicherheit, die Gebrauchstauglichkeit, sowie das sichere Bruchverhalten und der Nachweis im Bruchzustand funktionieren. Und er wies in diesem Zusammenhang auch daraufhin, dass das Thema der Durchbruchsicherheit – insbesondere im Zusammenhang mit der Bauarbeitenverordnung BauAV – eine grosse Herausforderung ist. «Aktuell können wir die Durchbruchsicherheit nicht sauber berechnen», so Russi. Er empfiehlt daher entweder mit einem Kollektivschutz, einem Individualschutz, eigenen Sackfallversuchen oder mit ausländischen Normen zu arbeiten.

Kommunikation und Risikobeurteilung
Zwei weitere Aspekte strich Mario Russi im Verlauf seines rund zweistündigen Vortrags mehrmals heraus. Punkt 1: Die Kommunikation mit den Bauherren. «Es ist sehr wichtig, dass Sie regelmässig mit den Bauherren sprechen und ihnen erklären, was sie tun, wo mögliche Probleme bei der Arbeit mit Glas auftreten können und welche verschiedenen Lösungen es dafür gibt», so Russi.
Punkte 2: Die Risikobeurteilung. Das Risiko, so Russi, entspreche der Wahrscheinlichkeit multipliziert mit dem Schadensausmass. Wie genau diese Berechnung funktioniert und welche Faktoren alle berücksichtigt werden müssen, zeigte er am Beispiel des Einscheibensicherheitsglas (ESG) auf. Entscheidend für die Risikobeurteilung ist die Verkehrsfläche – also die Fläche, die bei einem allfälligen Glasbruch von der herunterfallenden Scheibe betroffen wäre. Wie gross ist diese Fläche und wie viele Menschen könnten sich zu diesem Zeitpunkt dort befinden? Ein sehr schwierig abzuschätzender Wert. Russi zeigte auf, wie die Einstufung der Verkehrsfläche in vier verschiedene Kategorien erfolgt, wie das Risiko letztlich berechnet wird und welche Auswirkungen diese Berechnung auf das Bauen und die damit verbundenen Kosten hat. Den Abend liessen die Teilnehmenden bei angeregten Gesprächen und einem leckeren Apéro gemeinsam ausklingen.

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